SchussenAktivplus

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SchussenAktivplus bringt Ergebnisse

LangenargenMontag, 27. April 2015

Auf der Abschlussveranstaltung in Langenargen hat das BMBF-Forschungsprojekt SchussenAktivplus seine Ergebnisse präsentiert: Zusätzliche Reinigungsstufen in Kläranlagen und an Regenüberlaufbecken reduzieren Spurenstoffe und Keime und verbessern die Wasserqualität für Mensch und Umwelt.
Würden alle 19 Kläranlagen im Einzugsgebiet der Schussen mit einer vierten Reinigungsstufe ausgerüstet, könnte man dem Gewässer pro Jahr ca. 100 Kilogramm der Industriechemikalie Benzotriazol, ca. 40 Kilogramm des Schmerzmittels Diclofenac und zahlreiche weitere Spurenstoffe ersparen. „Die zusätzliche Reinigungsstufe wäre ein wichtiger Beitrag für den nachhaltigen Schutz der Ressource Trinkwasser aus dem Bodensee, könnte das Infektionsrisiko an Badestellen im Bereich der Schussenmündung vermindern und würde einen Beitrag dazu leisten, die biologische Vielfalt in der Schussen und im Bodensee zu erhalten“, bilanziert Prof. Rita Triebskorn, Projektleiterin vom Forschungsprojekt SchussenAktivplus auf der Abschlussveranstaltung in Langenargen.
Drei Jahre lang haben Wissenschaftler/innen den Erfolg von weitergehenden Reinigungsmaßnahmen an Kläranlagen unterschiedlicher Größe und an Regenwasserbehandlungssystemen am Bodenseezufluss Schussen erforscht. Dabei wurden unterschiedliche Verfahren getestet: Die Kombination aus Ozon und granulierter Aktivkohle mit und ohne Sandfilter (Testanlage in Eriskirch) sowie aus Pulveraktivkohle und Sandfilter (Kläranlage Langwiese bei Ravensburg) haben sich als besonders effizient erwiesen: Sie reduzieren Spurenstoffe und deren Wirkungen um 80 bis 90 Prozent. Darüber hinaus konnten diese zusätzlichen Reinigungsstufen die Anzahl der getesteten resistenten und nicht resistenten Bakterien drastisch senken.
Dabei haben die Systeme unterschiedliche Stärken: Die Pulveraktivkohleanlage fischt besonders gut Stoffe wie das Antikorrosionsmittel Benzotriazol oder den Betablocker Metoprolol aus dem Abwasser. Kombinationen mit Ozon konnten die Arzneimittel Carbamazepin und Diclofenac sowie Keime effizienter reduzieren als der Pulveraktivkohlefilter. Allerdings können sich bei der Ozonierung sogenannte Transformationsprodukte bilden - mit oft noch nicht bekannten Auswirkungen für die Umwelt. Deshalb ist bei Ozon eine biologische Nachreinigungsstufe notwendig.
Als fast genauso effektiv wie eine konventionelle Kläranlage hat sich der mit Schilf bewachsene Retentionsbodenfilter am Regenüberlaufbecken erwiesen.
Bei der Wahl der Technologien empfiehlt Prof. Triebskorn von der Universität Tübingen eine Abwägung im Einzelfall: „So sollte bei Badegewässern, in deren Einzugsgebiet gereinigtes Abwasser eingeleitet wird, eine möglichst effiziente Elimination von Keimen im Vordergrund stehen. Denn diese Gewässer werden vor allem im Sommer genutzt, wenn sie aufgrund von Niedrigwasser einen hohen Abwasseranteil aufweisen. Im Bereich von Naturschutzgebieten sollte die mögliche Bildung von schädlichen Transformationsprodukten, die bei der Ozonierung entstehen können, im Fokus stehen.“
Die Untersuchungen am Ablauf der Kläranlage Langwiese zeigten, wie schnell und positiv sich die Pulveraktivkohleanlage auf die Gesundheit der Gewässerorganismen auswirkt. Maximal 15 Monate nach Inbetriebnahme der vierten Reinigungsstufe zeigten Forellen unterhalb der Kläranlage Langwiese weniger Schäden. Ebenso hat sich dort die Lebensgemeinschaft der am Gewässerboden lebenden Organismen verbessert. Es kamen insgesamt mehr und auch für Umwelteinflüsse empfindliche Arten vor. Darüber hinaus hat sich die Fortpflanzung der Fische verbessert: So schlüpften im Vergleich zu den Vorjahren mehr Bachforellenlarven, die in Aquarien mit Schussenwasser gehalten wurden; die Sterblichkeit von Eiern und Larven sank. Allerdings findet man viele positive Effekte zum Zeitpunkt nach Ausbau der Kläranlage auch im Referenzgewässer Argen, weshalb jahresspezifische Effekte noch überprüft werden müssen.
Das vom Bundesforschungsministerium und vom baden-württembergischen Umweltministerium geförderte Projekt hat Rechenbeispiele für das Einzugsgebiet der Schussen vorgelegt: Diese haben ergeben, dass noch Investitionen von 48 Millionen Euro erforderlich wären, um alle Kläranlagen im Einzugsgebiet mit der bereits in Langwiese realisierten Pulveraktivkohlefilteranlage auszurüsten. Würde man nur Kläranlagen mit über 10.000 Einwohnerwerten mit einem Pulveraktivkohlefilter ausbauen, würde dies 36 Millionen Euro kosten. Damit ließen sich bereits über 90 Prozent des Abwassers im Einzugsgebiet behandeln. Was sich viel anhört, ist für den einzelnen Bürger wenig: Beispielsweise würden bei größeren Anlagen wie Ravensburg mit einem bereits vorhandenen Sandfilter etwa 10 Euro Mehrkosten pro Jahr anfallen. Damit könnte jeder Bürger einen entscheidenden Beitrag für die Umwelt und den vorsorgenden Schutz der Wasserressourcen leisten.
Unabhängig davon kann jeder dazu beitragen, möglichst wenige Spurenstoffe in die Umwelt zu entlassen. Zum Beispiel keine abgelaufenen Arzneimittel über die Toilette oder Spüle zu entsorgen. Zur richtigen Entsorgung von Altarzneimitteln hat SchussenAktivplus während der Projektlaufzeit mit dem Umweltministerium Baden-Württemberg einen Informationsflyer verfasst und verteilt.
Jede Verbesserung an der Schussen nützt natürlich auch dem Bodensee. Wenn die Schussen sauberer wird, sind auch im Bodensee weniger Spurenstoffe und Keime zu finden. „Besonders in der Flachwasserzone verbessert sich die Wasserqualität“, weiß Harald Hetzenauer vom Institut für Seenforschung Langenargen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg. Weitere Infos: www.SchussenAktivplus.de

Hintergrund: An den Ergebnissen haben 21 Partner/innen aus Wissenschaft, freier Wirtschaft und öffentlicher Hand mitgearbeitet. Die Mittel für das 2,7 Mio. Euro-Vorhaben stammen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (2,3 Mio. Euro) und vom Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz Baden-Württemberg (250.000 Euro). Den Rest haben die beteiligten Kommunen und Firmen beigesteuert.
SchussenAktivplus gehört zu den 13 vom Bund geförderten Projekten, die aus 67 beantragten Verbundvorhaben ausgewählt wurden. Es ist Teil des Förderschwerpunkts Nachhaltiges Wassermanagement NaWaM. In diesem bündelt das BMBF seine Aktivitäten im Bereich der Wasserforschung innerhalb des BMBF-Rahmenprogramms Forschung für nachhaltige Entwicklungen FONA. Beteiligt an dem Projekt sind neben der Universität Tübingen die Universitäten Frankfurt/Main, Stuttgart, KIT Karlsruhe, Avignon und Brno, das Institut für Seenforschung Langenargen, das TZW Karlsruhe, die Firmen Dr.-Ing. Jedele & Partner GmbH, Stuttgart, Ökonsult GbR, Stuttgart, BBW Achberg, GÖL Starzach, Hydra Konstanz und das Steinbeis-Donau-Zentrum, die Städte bzw. Gemeinden Ravensburg, Eriskirch, Tettnang, Merklingen, der AZV Mariatal, der AV Unteres Schussental sowie das Regierungspräsidium Tübingen.

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Pressekontakt

Jutta Schneider-Rapp
Ökonsult

Gerberstraße 9
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Tel. 07 11 / 67 44 74-64
Fax 07 11 / 67 44 74-66

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Projektleitung

Prof. Dr. Rita Triebskorn
Universität Tübingen
Physiologische Ökologie der Tiere

Konrad-Adenauer-Str. 20
72072 Tübingen

Tel.: 07071 / 75 73 555

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